Aus wissenschaft.de vom 06.11.2004
05.11.2004 - Astronomie
Weder Fisch noch Fleisch: Aktive Galaxie passt nicht ins Schema
Italienische Forscher erstellen einen detaillierten "Fingerabdruck" der
Strahlung eines Aktiven Galaktischen Kerns
Es ist wie im richtigen Leben:
Die wirklichen Objekte passen nicht in die theoretisch
vorgefertigten Schubladen.
Zwei italienische Astrophysiker haben Strahlungsdaten des
italienisch-niederländischen Röntgensatelliten
BeppoSAX
analysiert und kommen zu dem Schluss, dass die aktive Galaxie
3C 273 sowohl Merkmale einer
Seyfert-Galaxie
als auch Merkmale einer Jet-geprägten Galaxie hat. Paola Grandi vom
Istituto di
Astrofisica Spaziale e Fisica Cosmica in Bologna und ihr Kollege
Giorgio Palumbo stellen ihre Ergebnisse im Fachmagazin
Science (Bd.
306, S. 998) vor.
Man nimmt an, dass die treibende Kraft für die Erzeugung der Strahlung
aktiver Galaxien jeweils ein
Supermassives Schwarzes Loch in der Mitte der Galaxie ist. Bei der
Strahlungserzeugung spielen zwei Prozesse eine dominierende Rolle. Zum
einen bildet sich um das
Schwarze Loch herum eine
Akkretionsscheibe aus Materie, die vom Schwarzen Loch angezogen
wurde. Durch die starken Gravitationskräfte wird die Materie derart
komprimiert und aufgeheizt,
dass sie eine starke hochenergetische Strahlung abgibt.
Zum anderen können sich die so genannten Jets bilden. Das sind
Teilchenströme, die senkrecht zur Akkretionsscheibe ausgestoßen werden.
Man vermutet, dass sie durch eine komplexe Wechselwirkung zwischen der
Akkretionsscheibe und Magnetfeldern erzeugt werden. Auch die Jets sind
eine starke Strahlungsquelle.
Bisher war es Astronomen nicht möglich, beobachtete Strahlung eindeutig
einem der beiden Prozesse zuzuordnen. Grandi und Palumbo haben nun
detaillierte Daten von Röntgenstrahlung ausgewertet, die der Satellit
BeppoSAX zwischen 1996 und 2001 während neun Zeiträumen von jeweils
einigen Stunden aufgezeichnet hatte. Die Auflösung
von BeppoSAX ermöglicht die Unterscheidung verschiedener Regionen im
Zentrum einer aktiven Galaxie.
Die beiden Astrophysiker fanden in den Daten sowohl Charakteristika, die
eher Seyfert-Galaxien zugeordnet werden – das sind aktive Galaxien, die
laut Definition nur schwach ausgeprägte Jets besitzen – als auch
Merkmale Jet-geprägter Galaxien.
Grandi und Palumbo hoffen, dass ihre Auswertung zum besseren Verständnis
Aktiver Galaktischer Kerne beitragen wird: "Die Unterscheidung der
Strahlungsprozesse ist von überragender Bedeutung für das Verständnis
der astrophysikalischen Prozesse, die
Aktive Galaktische Kerne leuchten lassen, und auch für das
Verständnis der Physik Schwarzer Löcher, eines der wichtigsten Probleme
der
Allgemeinen Relativitätstheorie."
Axel Tillemans
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